Um fünf unter den Sternen
Roman
Erscheinungstermin: 10. Dezember 2018
592 Seiten, 11,8 x 18,7 cm, 9 s/w Abbildungen
Holly Hepburn
Die Schwestern Nessie und Sam könnten unterschiedlicher nicht sein, doch eines haben sie gemeinsam: ein hoch kompliziertes Liebesleben. Als sie ein romantisches kleines Pub auf dem Land erben, kommt die Chance auf einen Neuanfang für beide wie gerufen. Doch der verläuft anders als gedacht – das Gebäude ist heruntergekommen und verschuldet, und dann sind da noch die naseweisen Dorfbewohner, die schon ganz eigene Pläne für die Neueröffnung geschmiedet haben. Doch Nessie und Sam sind fest entschlossen, das Pub zu retten und es wieder zum Mittelpunkt des Dorfes zu machen. Zum Glück gibt es da noch Joss, den charmanten Kellner, und Owen, den gut aussehenden Schmied von gegenüber
Holly Hepburn liebt es, Menschen zum Lächeln zu
bringen – und sie liebt ihre Katze Portia. Sie hat in der
Marktforschung und als Model gearbeitet, ihr großer
Traum war aber schon immer das Schreiben. Sie lebt in
der Nähe von London.
Beim lesen des Buches kann ich sagen Holly Hepburn schafft es mit diesem Buch einem das lächeln ins Gesicht zu Zaubern.
Die Charaktere in dem Buch sind alle sehr liebevoll geschrieben und sind wirklich gut gelungen.
In der Geschichte gibt es ein auf und ab der Gefühle was wirklich super toll ist und dabei geht es nicht nur um die Herzenssachen.
Der Vater der die Familie schon vor Jahren verlassen hat vererbt den beiden Schwestern den Pup auf dem Land.
Beide Schwestern stehen zu der Zeit auf einem Schweren Weg in ihrem Leben und wollen diese Chance als Neuanfang nutzen.
Nessie lebt gerade in Scheidung von ihrem Mann und Sam ist in London auch auf einen Falschen Mann reingefallen der sogar am Verlust ihres Jobs dran schuld ist.
Als sie im Ort angekommen sind,sind sie sehr verwundert wie beliebt doch der Vater im Ort war und das der Pup sehr beliebt war und ein Zentraler Mittelpunkt im Dorf war.
Den sie haben den Vater eher als Alkoholiker und wandelnde Katastrophe in Erinnerung der kein Interesse mehr an Sam und Nessie hatte.
Die Dorfbewohner haben allerdings andre Pläne mit dem Pup als Nessie und Sam.
Aber nun sind Nessie und Sam fest entschlossen diesen Pup wieder zum Leben zu erwecken.
Einige Bewohner stehen den Beiden Schwestern auch zur Seite und unterstützen die Beiden in der Entscheidung,einmal der Nette Kellner Joss und der gut aussende Schmied Owen von gegenüber.
Da die Schwestern auch Charakter mäßig verschieden sind ist es doch ein drauf hin fiebern ob es auch in Sachen Herz wieder ein Neuanfang gibt.
Den während eine schnell und Leicht Kontakte knüpft,kann die andere es nicht so leicht.
Es geht aber nicht nur um einen Neuanfang es geht auch im Buch ein Stück weit über Vergangenheit Bewältigung von zwei verschiedenen Persönlichkeiten. Wärend Sam an alles sehr energisch ran geht ist Nessie sehr zurückhaltend und durchdacht.
Das Buch ist Toll geschrieben und versüßt einem den Tag beim Lesen.
Gibt es ein Happy End für beide Schwestern in Sachen Job und Liebe?
Na das wird nicht verraten da müsst ihr schon selber Lesen.
Leseprobe
Mrs. Vanessa Blake
23 Westmoreland Avenue
Godalming
Surrey
GU7 8PB
20. August 2015
Sehr geehrte Mrs. Blake,
der Grund meines Schreibens betrifft den Nachlass Ihres
Vaters, des hochwohlgeborenen Andrew Chapman.
Als Vollstrecker seines Testaments ist es meine Pflicht, Sie darüber in Kenntnis zu setzen, dass Sie und Ihre Schwester,Miss Samantha Chapman, die einzigen Erben von Mr.
Chapmans Vermögen sind, bestehend aus der Immobilie
in der
Sixpence Lane, Little Monkham, Shropshire, SY6
2XY, und dem sich darin befindenden Pub, dem Star and
Sixpence.
Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie schnellstmöglich mit mir Kontakt aufnehmen und mir mitteilen könnten, ob Sie das Erbe antreten wollen, sodass schnellstmöglich die nötigen Formalitäten eingeleitet werden können.
Hochachtungsvoll,
Quentin Harris
Harris und Taylor Rechtsanwälte
Kapitel eins
Nessie blinzelte durch die Windschutzscheibe in die nächtliche Dunkelheit, gegen die nicht einmal das Fernlicht
viel ausrichten konnte. »Bist du sicher, dass es die nächste
links abgeht?«
Vom Beifahrersitz ertönte ein kurzer Seufzer. »Das sagt
jedenfalls das Navi, auch wenn wir so weit weg von der
verdammten Zivilisation sind, dass es wahrscheinlich genauso verloren ist wie wir.« Samantha klopfte versuchsweise auf das Gerät und stierte dann wieder auf das Display. »In fünfzig Metern links abbiegen.«
Nessie trat auf die Bremse und hielt vergeblich Ausschau
nach einer Lücke zwischen den dunklen Bäumen. »Da ist
aber gar keine Straße, glaube ich.«
»Du bist doch diejenige, die schon mal hier war«, giftete
Sam. »Ich dachte, du kennst den Weg?«
Ja, schon, wollte Nessie erklären, nur letztes Mal war helllichter Tag, und ich hatte einen Anwaltsgehilfen, der mich gelotst
hat, statt einer Schwester, die mich für vollkommen orientierungslos hält und immer direkt auf hundertachtzig ist.
Das alles behielt sie jedoch für sich. Sie verkniff es sich
auch, ihre Schwester darauf hinzuweisen, dass sie, wenn
Sam zur verabredeten Zeit fertig gewesen wäre, nicht erst
im Dunkeln hier angekommen wären. Stattdessen konzentrierte Nessie sich darauf, die Abbiegung zu finden,
von der Sam steif und fest behauptete, sie würde gleich
kommen.
Ein paar Sekunden später war da wirklich etwas: eine
Lücke, mehr ein Trampelpfad als eine Straße, mit einer
rot-weiß gestreiften Schranke davor, verschlossen mit
einer schweren Kette. Sie hielt an. »Ich bin ziemlich sicher,
dass wir hier falsch sind.«
Sam schnaubte irritiert und riss das Navigationsgerät
aus seiner Halterung an der Windschutzscheibe. »Himmel
nochmal, dann muss die Postleitzahl falsch sein«, fauchte
sie und klopfte entnervt auf das Display. »Hast du sie überprüft, bevor du sie eingegeben hast?«
Nessie wusste, dass sie das getan hatte; sie hatte sich
die Papiere des Anwalts mehrmals durchgelesen, um sich
wirklich sicher zu sein – auch dass sie diese ganze Geschichte mit dem Erbe nicht nur geträumt hatte. Aber als
sie nun mit Sams Wutausbruch konfrontiert war, zweifelte
sie doch an sich. Sie starrte auf ihre Hände, die verkrampft
und zittrig auf dem Steuer lagen. »Ich dachte, das hätte ich.
Aber vielleicht hab ich mich vertippt.«
Sam atmete langsam aus. »Nein, tut mir leid. Ich wollte
nicht so ausflippen, die letzten Wochen waren einfach hart,
weißt du …« Ihr Mund verzog sich zu einem schiefen
Lächeln, und sie hielt das Navi in die Höhe. »Hier draußen gibt es eh kein Signal. Wir könnten auch in der Nähe
von Luxemburg statt von Little Monking sein, wenn es
nach diesem Teil hier ginge.«
Trotz ihrer Anspannung lächelte Nessie zurück. »Monkham, nicht Monking. So steht es jedenfalls in diesem
Grundbuch, das wahrscheinlich noch aus dem Mittelalter
stammt.«
»Arsch der Welt würde besser passen«, murmelte Sam
und ließ das Navi in ihren Schoß fallen. »Und jetzt?
Kommt dir hier irgendwas bekannt vor?«
Nessie sah sich um und versuchte, sich die Straße bei
Tageslicht vorzustellen. Denk nach, befahl sie sich. Was kam
nach der Humpback-Brücke? Eine Kreuzung? Ein Kreisverkehr? »Hinter der nächsten Kurve müsste, glaube ich, eine
Abzweigung sein«, sagte sie langsam, in der Hoffnung, dass
ihre Erinnerung ihr keinen Streich spielte. »Ich meine, da
sind wir links abgebogen.«
Sam lehnte sich im Sitz zurück. »Lass es uns herausfinden.«
Nessie holte tief Luft, legte den Gang ein und fuhr wieder los. »Und, wie ist es dort?«, fragte Sam. »Sind wir vollkommen übergeschnappt, dass wir das machen?«
Nessie sah das Star and Sixpence vor sich, wie es oben
auf der makellosen Dorfwiese von Little Monkham thronte und sein schwarz-weißes Fachwerk hell in der Wintersonne leuchtete. »Ich hab’s dir ja schon gesagt, es ist alt,
wurde um 1600 gebaut, glaube ich.«
Sam verzog das Gesicht. »Igitt, alt. Bitte sag mir, dass es
zumindest eine Dusche und Zentralheizung hat?« Sie warf
einen Blick auf das Navi und schauderte. »Und WLAN?«
Nessie dachte an die tropfende Duschbrause über der
angeschlagenen Emaillebadewanne in der oben gelegenen
Wohnung und an den riesigen gemauerten Kamin, der das
Zentrum des mit Holzbalken durchzogenen Barraums des
Pubs bildete. Sie nickte. »Dusche und Heizung gibt es, obwohl beides eine kleine Auffrischung nötig hätte – das gilt
für das ganze Haus, um ehrlich zu sein. Es würde mich
sehr wundern, wenn es dort WLAN gäbe, aber das ist ja
leicht einzurichten, wenn wir es wollen.« Für einen kurzen Moment zögerte sie, dann sagte sie es doch: »Eigentlich dachte ich, du könntest vielleicht eine kleine Pause
vom Internet vertragen.«
Sam war still, als sie um die Kurve fuhren, und nicht
zum ersten Mal fragte Nessie sich, was wohl passiert wäre,
wenn ihr Vater, mit dem sie seit über zwanzig Jahren nicht
gesprochen hatten, ihnen dieses Pub nicht hinterlassen
hätte. Was sie anging, wahrscheinlich nichts – sie wäre immer noch mit Patrick zusammen, gefangen im starren Alltagstrott dieser Ehe. Aber bei Sam sah das ganz anders aus;
die Flucht aus London war sozusagen ihr letzter Ausweg.
Am Straßenrand kam ein Schild in Sicht. »Little Monkham, ein Kilometer«, rief Sam triumphierend. »Wer
braucht schon Technik?«
Nessie wusste nicht, ob sie das Navi oder das Internet
oder beides meinte, doch es erinnerte sie wieder daran,
dass zumindest einer der Gründe, weshalb sie nach Little Monkham zogen, war, dass sie sich verstecken wollten.
Denn wo konnte man besser seine Wunden lecken, als an
einem Ort, an dem einen niemand fand?
»Genau«, antwortete Nessie und lenkte das Auto über
die Straße, die zum Dorf führte. »Vielleicht hat es auch
etwas für sich, mal vom richtigen Weg abzukommen.«
Die Dorfwiese wurde von den Straßenlaternen in bernsteinfarbenes Licht getaucht, als sie Little Monkham erreichten. Ein Mann ging mit seinem Hund am Kriegsdenkmal vorbei, hielt an und tippte sich grüßend an den
Hut, als sie vorbeifuhren. Nessie hob etwas unsicher die
Hand, während Sam ihn einfach nur anstarrte.
»Wir sind wieder zurück in den Fünfzigern, oder?«, sagte Sam. »Steht da hinten eine alte blaue Telefonzelle, oder
ist das die Zeitmaschine?«
»Ich nehme an, es wird wohl eine Telefonzelle sein«, antwortete Nessie nachsichtig. »Nicht alle haben ein Handy.«
Sam hob die Augenbrauen. »Aber Festnetzanschlüsse
wird es hier doch geben? Die werden doch nicht alle hier
anstehen, um das öffentliche Telefon zu benutzen?«
Nessie lachte. »Wer weiß. Guck mal, da ist das Pub.«
Das Star and Sixpence lag am Ende einer Wiese, beleuchtet von einer einzelnen altmodischen Straßenlampe,
die direkt vor der Tür stand. An einem hölzernen Mast
hing ein sanft im Wind schaukelndes Schild, auf dem neben einem leuchtenden Stern ein silbernes Sixpencestück
prangte. Die Fenster wirkten wie dunkle Löcher in den
weiß gestrichenen Wänden, und darüber hing das Dach,
als wäre es den Kampf gegen die Schwerkraft müde.
Sam schauderte. »Sieht nicht sehr einladend aus.«
Nessie hielt auf dem Parkplatz und zog die Handbremse
an. »Das wird es schon, wenn wir erst mal Licht angemacht haben. Komm.«
Erst als sie drin waren und den Lichtschalter gefunden
hatten, fiel Nessie ein, dass der Strom womöglich gar nicht
mehr angeschlossen war. »Oh«, sagte sie und kam sich wie
eine Idiotin vor. »Ist wohl abgestellt.«
Sam stellte die Taschenlampe auf ihrem Handy an. »Vielleicht ist nur die Sicherung rausgesprungen. Das ist in
meiner Wohnung früher auch öfter passiert. Wo ist der
Sicherungskasten, was meinst du?«
Nessie dachte an ihre kurze Besichtigungstour mit dem
Anwaltsgehilfen, der ausgesehen hatte, als wäre er gerade
erst dreizehn geworden. »Weiß ich nicht. Es gibt einen
Keller. Vielleicht ist er da unten?«
Ihre Schwester rümpfte angewidert die Nase. »Na toll.
Und wie komme ich zu diesem Keller?«
Die Fenster waren klein und ließen nur wenig Licht
von der einzelnen Straßenlaterne hinein. Sams Telefon
beleuchtete ihr Gesicht und den Boden, wenn sie es nach
unten richtete, aber viel mehr auch nicht. Überall lauerten
Schatten und dunkle Flecken.
»Äh … ich glaube hinter der Bar«, sagte Nessie und
versuchte, das pulsierende Unbehagen zu ignorieren, das
zwischen ihren Schulterblättern hinaufkroch. »Da gibt es
eine Tür und eine Treppe. Warte, ich zeig’s dir.«
Aber Sam war schon losgelaufen, der Lichtkegel von ihrem Telefon hüpfte durch die Dunkelheit. »Kein Problem,
ich finde es schon.«
»Sei vorsichtig!«, rief Nessie. Soweit sie sich erinnerte,
waren die Kellerstufen eng und abgetreten – man konnte
leicht hinfallen. Nessie wartete und tastete in ihrer Tasche
nach ihrem eigenen Telefon, so einem Prepaid-Handy, das
sie gekauft hatte, als sie Patrick verlassen hatte. Es war billig und aus Plastik und hatte definitiv keine Taschenlampe.
Man konnte damit noch nicht einmal online gehen. Aber
es reichte, um Sam wenn nötig zu kontaktieren. Wen sollte sie auch sonst anrufen? Ihre Freunde hatten sich als seine
Freunde entpuppt, aber zumindest war es so leichter, alle
Verbindungen zu kappen und neu anzufangen.
Um sie herum breitete sich Stille aus. Die Dunkelheit
lastete schwer auf Nessie, ihre Gedanken begannen zu rasen. Ein unbekannter Ort mitten in der Nacht … fingen
so nicht die meisten Horrorfilme an? Niemand sonst war
hier, aber dennoch – sie konnte ihre Einbildungskraft
nicht im Zaum halten. Du bist fünfunddreißig Jahre alt, sagte sie sich, nicht fünf – zu alt, um Angst im Dunkeln zu haben. Es machte absolut keinen Unterschied. Sie war drauf
und dran, sich auf die Suche nach Sam zu machen, als ein
Lichtstrahl durch das Fenster am Eingang des Pubs fiel.
Die Tür ging auf, und eine massige Silhouette füllte den
Rahmen beinahe vollkommen aus.
Nessie unterdrückte einen Schrei. »Wer ist da?«, rief sie,
während sie zurücktrat und das Zittern in ihrer Stimme
verfluchte. Ihr Bein stieß an etwas Hartes, und sie griff
danach, um sich zu verteidigen: Wahrscheinlich ein Tisch,
dachte sie, nicht gerade etwas, mit dem man werfen kann.
Der Strahl einer Taschenlampe streifte ihr Gesicht, blendete sie kurz, leuchtete dann nach oben und offenbarte
das Gesicht eines Mannes mit üppiger schwarzer Lockenmähne. »Hallo«, sagte er. »Sie müssen die neue Besitzerin
sein.«
Nessie krallte ihre Finger in den Tisch. Dumme Gans,
er ist kein verrückter Psychopath. Trotzdem schlug ihr Herz
weiter wie wild in ihrer Brust.
»So ist es«, sagte sie, so ruhig sie konnte. »Ich bin Nessie
Blake. Und wer sind Sie?«
»Owen Rhys«, sagte er mit trällerndem Akzent. »Aus
der Schmiede nebenan. Freut mich, Sie kennenzulernen.«
Ihre verkrampften Schultern entspannten sich etwas,
als sie sich an ihren Besuch von vor ein paar Wochen
zurückerinnerte – es gab ein großes Gebäude nebenan,
mit einem Garten und einem Cottage etwas abseits, ein
Anblick wie auf einer Postkarte. Das war bestimmt die
Schmiede.
»Ich wollte Sie eigentlich begrüßen, wir hatten nur angenommen, dass Sie viel früher kommen«, sagte Owen.
Nessie war erleichtert, als sie bemerkte, dass er sich nicht
von der Tür wegbewegt hatte, sondern auf eine Einladung
zu warten schien, bevor er näher kam.
»Wir … wir wurden aufgehalten«, erklärte sie. »Tut mir
leid, wenn Sie gewartet haben.«
»Kein Problem«, sagte der Mann leichthin. »Ich wohne
in dem Cottage neben der Schmiede. Mein kleiner Sohn
Luke hat nach Ihnen Ausschau gehalten, seit es dunkel
wurde.«
Nessie nickte, dann wurde ihr klar, dass er diese Bewegung gar nicht sehen konnte. »Schön.«
Stille hing zwischen ihnen. »Also, soll ich reinkommen
und das Licht anstellen? Ich glaube, die Sicherung ist rausgesprungen. Die Elektrik ist schon ein bisschen in die Jahre gekommen, es braucht nicht viel, um sie lahmzulegen.«
»Eigentlich …«, fing Nessie an, doch dann wurde sie
von einem Triumphschrei unterbrochen. Plötzlich war
der Raum von kränklich gelbem Licht erfüllt. »Meine
Schwester Sam«, sagte Nessie blinzelnd. »Scheint, als hätte
sie den Stromkasten gefunden.«
Sie blinzelte noch ein paarmal, bis sich ihre Augen an
das Licht gewöhnt hatten. Owen Rhys war sicher mindestens einen Meter achtzig groß, hatte pechschwarze Locken, die ihm wirr in die Stirn fielen, und dunkle Augen,
mit denen er sie eingehend musterte. Er sah tatsächlich
aus wie ein Schmied, fand sie, auch wenn sie nicht sicher
war, wie sie darauf kam, denn bisher hatte sie noch keinen
persönlich kennengelernt. Er stand im Türrahmen, etwas
geduckt unter dem dicken Holztürsturz, die Taschenlampe in der einen und einen mit einem blau-weiß karierten
Tuch bedeckten Korb in der anderen Hand.
»Du siehst … Sie sehen aus wie Ihr Vater«, sagte Owen
und machte die Taschenlampe aus. »Dieselben Augen. Tut
mir leid, übrigens – Ihr Verlust. Er hatte großen Anteil an
unserem Dorfleben, also Andrew hatte das.«
Nessie schluckte ein unfreiwillig höhnisches Schnauben
herunter und verwandelte es in ein Husten. Grüne Augen waren das Einzige, was sie und Sam mit ihrem Vater
gemeinsam hatten, und sie wusste, dass Sam phasenweise
blaue Kontaktlinsen getragen hatte, um das zu vertuschen;
ihre Art, sich von ihm zu distanzieren. Es war schwer, sich
ihn als geschätztes Mitglied von welcher Gemeinschaft
auch immer vorzustellen. Doch dann erinnerte sich Nessie daran, wo sie sich befand, und fühlte sich ein kleines
bisschen schuldig. Welche Fehler Andrew Chapman auch
gehabt hatte, und davon gab es jede Menge, er hatte seinen Töchtern einen Ort vermacht, an den sie sich zurückziehen konnten, als sie es nötig hatten. »Danke«, sagte Nessie – etwas Besseres fiel ihr nicht ein.
Für eine Weile standen sie da und sahen sich an. Nessie
spürte, wie die Anspannung nach und nach von ihr abfiel. Für so einen kräftigen Mann war Owen erstaunlich
wenig Furcht einflößend, vielleicht weil er auf Abstand
blieb. Sie schüttelte sich innerlich, probierte ein Lächeln.
»Möchtest du … ich meine … möchten Sie …«
Owen fing gleichzeitig an zu sprechen. »Brauch…«
Sie hielten beide inne, und wieder entstand eine kurze,
verlegene Stille. »Nach dir«, sagte Owen dann höflich.
Nessie holte Luft. »Möchtest du reinkommen?«
Er nickte. »Und ich wollte fragen, ob ihr Hilfe mit irgendetwas braucht, Taschen oder Kartons reintragen?«
Sein Blick wanderte zum kalten schwarzen Loch des Kamins. »Ich könnte ein Feuer anmachen, wenn du möchtest? Es wird wunderbar warm hier drin, sobald es brennt.«
Nessie wagte es nun endlich, ihre Augen von ihm abzuwenden und sich im Pub umzusehen, betrachtete die
staubigen zusammengewürfelten Tische und den abgetretenen Teppich. Die Messingschilder über der Bar waren
stumpf, der Holztresen vor der Bierzapfanlage fleckig und
unpoliert, die Balkendecke gelblich von Alter und Nikotin. Mehr als die Hälfte der Glühbirnen in den hässlichen
Wandleuchten aus den Siebzigern waren kaputt. Wo immer sie hinblickte, sah sie Anzeichen von Verwahrlosung.
Das alles würde sie eine Menge Arbeit kosten. Andererseits – was hatten sie und Sam sonst schon zu tun?
Sie sah wieder Owen an. »Ich denke, wir kommen zurecht. Aber danke.«
»Du glaubst nicht, wie dreckig es da unten ist«, sagte
Sam, die in den Raum gepoltert kam. »Da ist eine Spinne,
so groß wie die aus Herr der Ringe – oh!«
Sie unterbrach sich, als sie Owen sah, und ihre Augen
weiteten sich.
»Das ist Owen, der Schmied von nebenan«, sagte Nessie.
»Das glaube ich«, sagte Sam und musterte ihn von Kopf
bis Fuß. »Ein waschechter Schmied. Mein Gott, ich habe
das Gefühl, ich bin mitten in einer Seifenoper gelandet.
Mein Name ist übrigens Sam.«
Owen nickte zum Gruß und trat einen Schritt vor. Er
hob den Korb hoch und streckte ihn Nessie hin. »Das ist
für euch, nur ein paar Sachen, von denen wir dachten, ihr
könntet sie vielleicht brauchen.«
Wir, bemerkte Nessie. Er musste seine Frau meinen.
Hatte er nicht auch einen Sohn erwähnt?
Sam drängte sich an ihr vorbei und nahm den Korb
entgegen. »Super«, sagte sie, stellte ihn auf einen der Tische und nahm das Baumwolltuch ab. »Ist da eine Flasche
Wein drin?«
Lachfältchen bildeten sich um Owens Augen. »Nein,
nur Milch, Kuchen, Brot und so weiter. Ich hätte nicht gedacht, dass ihr Wein braucht, wo das hier doch ein Pub ist.«
»Guter Punkt.« Sam sah sich um und schien zum ersten
Mal ihre Umgebung wahrzunehmen. Sie starrte ein riesiges Ölbild an einer der kahlen Backsteinwände an, das
eine raue Seelandschaft voller brodelnder Wellen und
einem düster drohenden Himmel darüber zeigte. »Ach
du Scheiße, das muss aber weg.«
Warte nur, bis sie das Flaschenschiff entdeckt, dachte Nessie
und sah Sams minimalistisch eingerichtete Wohnung in
London vor sich. Sie wird nach einem Container verlangen,
um das alles hier rauszuschaffen.
»Das ist ein Werk von Henry Fitzsimmons. Ich denke,
er nimmt es gern zurück, wenn es nicht nach eurem
Geschmack ist«, sagte Owen. Seine Stimme klang zwar
freundlich, aber Nessie meinte dennoch, einen missbilligenden Unterton wahrzunehmen.
»Wir werden jetzt keine überstürzten Entscheidungen
darüber fällen, was bleibt und was wegkommt«, sagte sie
schnell und warf ihrer Schwester einen bedeutungsvollen
Blick zu. »Vielen Dank jedenfalls für die Sachen. Das ist
sehr aufmerksam.«
Owens Blick verweilte noch einen Moment auf ihr,
aber er schien ihr den abrupten Abschied nicht übel zu
nehmen. »War mir ein Vergnügen. Wie gesagt, wenn ihr
irgendetwas braucht, ich bin gleich nebenan. Ihr müsst
nur rufen.«
Er nickte erst Sam und dann Nessie zu, duckte sich unter dem Türrahmen hindurch und verschwand, so schnell
wie er gekommen war, wieder in der Nacht. »Also«, sagte
Sam und grinste Nessie mit unverhohlener Begeisterung
an. »Du verschwendest wirklich keine Zeit.«
»Sam …«, setzte Nessie an.
»Was?«, sagte Sam mit erhobenen Augenbrauen. »Ihr
hättet ja wohl die halbe Überlandleitung mit Strom aufladen können, so wie das geknistert hat, als ich hier reingekommen bin.«
Nessie spürte, wie sie rot wurde. »Also wirklich, du
redest vielleicht manchmal einen Unsinn. Der Mann ist
verheiratet.«
Ihre Schwester legte den Kopf schief. »Dann vielleicht
nicht er, aber ich wette, es gibt irgendeinen anderen hier,
der dir wieder in den Sattel helfen wird.«
»Sam!«, protestierte Nessie erneut und lief noch röter an.
»Hör auf damit!«
»Schon gut, Ness. Sich scheiden zu lassen, bedeutet nicht,
dass das Spiel vorbei ist, weißt du?«
Für Sam muss das alles so klar sein, dachte Nessie. Plötzlich überschwemmte sie eine Welle von Emotionen, und
sie musste sich zwingen, nicht zu weinen. Sie konnte nicht
wissen, wie es war, fünfzehn Jahren Ehe den Rücken zu
kehren; auch wenn von Scheidung nicht die Rede war –
noch nicht. Eins nach dem anderen, hatte Nessie sich gesagt.
Sams Stimme unterbrach sie wieder in ihren Gedanken.
»Es ist einfach an der Zeit, dass du nach vorn schaust. Also,
was glaubst du, wo unser Vater den Wein versteckt hat?
Oder meinst du, er hat alles ausgetrunken, bevor er gestorben ist?«