Hagebutten Blut
Sie ist Stockholms beste Ermittlerin. Doch dieser Fall kann sie alles kosten.
Nie wieder wollte Charlie Lager in ihren Heimatort Gullspång zurückkehren. Doch die brillante Stockholmer Ermittlerin ist gezwungen, diesen Schwur zu brechen, als sie von einem ungelösten Fall Wind bekommt: Vor dreißig Jahren verschwand die sechzehnjährige Francesca aus Gullspång und wurde nie gefunden. Das große verfallene Herrenhaus ihrer Familie steht seitdem leer. Sobald das düstere Gebäude vor Charlie aufragt, spürt sie, dass ihr dieser Fall alles abverlangen wird – denn sie erinnert sich dunkel an diesen Ort. Und Charlie ahnt, dass sie alles zu verlieren hat: Wenn sie die Wahrheit um Francescas Verschwinden ans Licht zerrt, kann sie ihr eigenes Leben für immer zerstören.
Das Buch ist gut geschrieben und die Story ist wirklich gut. Aber der Klappentext ist Spannender geschrieben wie das ganze Buch. Was ich etwas schwerfällig fand ist das sich gewisse Sätze ständig und immer wieder wiederholen so als ob man gerade nicht wusste was man schreiben soll und dann eben den Satz da wieder einbaut.
Von den Personen muss ich sagen, habe ich keine Verbindung zu bekommen am Anfang.
Die Ermittlerin ist zu sehr in ihrer Vergangenheit gefangen und auch dem Alkohol nicht abgeneigt als das es um den Aktuellen Fall geht.
Je weiter man aber liest desto mehr kann man die Personen verstehen und kommt etwas besser mit ihnen zurecht.
Es geht eben viel um die Vergangenheit von Charlie selbst und es ist eher eine Ermittlung und Verbrechens Aufklärungsbuch als das wir selber direkt was mitbekommen was passiert ist und wie es passiert ist. Es ist für mich ein guter Krimi Thriller wäre es wen wir von der Tat selber was mitbekommen hätten.
Leseprobe
Prolog
Die Gruppe stand hinter der Kapelle. Ich kam vom See, aber keiner bemerkte mich, bis ich ganz nah war. Im schwachen Licht der Kirchenbeleuchtung waren ihre Gesichter geisterhaft blass über den schwarzen Fracks. Es war diese widerliche Clique mit den Königsnamen, Erik, Gustav, Oscar, Magnus und dann er, Henrik Stiernberg, der selbstverliebte Freund meiner Schwester. Henrik sah mich als Erster. Offensichtlich hatte ich ihn erschreckt, denn er sah zutiefst verängstigt aus, als er mich fragte, was zum Teufel ich hier wolle. Ich starrte ihn eine Weile schweigend an, dann begann ich zu lachen. »Was lachst du so blöd?«, fragte er. »Wieso bist du immer so komisch?« Ich antwortete nicht, weil ich nicht wusste, worüber ich lachte oder warum ich so komisch war. »Lauf zurück zum Ball, du Irre«, sagte Erik. »Geh rein und tanz einen Walzer oder so was.« »Mein Tanzpartner ist weg«, erwiderte ich. In diesem Augenblick schlug meine Stimmung um, und ich war den Tränen nahe. Paul war schon eine Ewigkeit verschwunden, und es war völlig sinnlos ohne ihn auf dem Herbstball. Er hatte mir den ersten und den letzten Tanz versprochen, und bald würde das Orchester in der Turnhalle das letzte Lied spielen.
Vielleicht hatte es das schon längst. Ich weiß nicht, warum ich deswegen so traurig war, weil mir eigentlich meine Tanzpartner gar nicht wichtig waren – geschweige denn das Tanzen an sich –, aber in diesem Fall ging es um Paul. »Schau in seinem Zimmer nach«, sagte Erik. »Er ist wahrscheinlich zu besoffen.« Ich sagte, dass er dort nicht sei. »Hier ist er auf jeden Fall nicht«, erklärte Henrik. »Du wirst wohl weitersuchen müssen.« Ich blieb stehen, denn mir fiel nichts mehr ein, wo ich noch nach Paul suchen könnte. Am See und bei der Trauerweide war ich schon gewesen, und sein Zimmer im Internatswohnheim Talludden war leer. Die Bank bei den Familiengräbern hinter der Kapelle war meine letzte Hoffnung. »Was ist los?«, fragte Henrik, als ich plötzlich schwankte. »Mir ist… schwindelig«, sagte ich und streckte meine Hand aus, um mich an einem Grabstein abzustützen. Ich verschätzte mich und stürzte. Als ich auf der Erde lag, sah ich die Rose. Sie hatte dieselbe Farbe wie mein Kleid, und sie hatte in Pauls Frackbrusttasche gesteckt. »Paul muss hier gewesen sein«, sagte ich und hielt den Jungen die gelbe Rose entgegen. »Was redest du da?«, fragte Henrik. »Wir haben deinen kleinen Freund nicht gesehen.« Ungefähr ab diesem Punkt begannen unsere Geschichten sich zu trennen.
Kapitel eins
Charlie versuchte, in dem nach hinten geneigten Stuhl eine bequeme Position zu finden. Links von ihr saß Eva, ihre Psychologin. Eva hatte gerade mit ihr die Rahmenbedingungen für ihre Sitzungen besprochen. Es war wichtig, sich an die festgelegten Zeiten zu halten, zu sagen, wenn man sich mit etwas nicht wohlfühlte, und zu wissen, dass alles, was in diesem Raum besprochen wurde, natürlich nicht nach außen drang. Eva sprach freundlich, doch an ihrem Blick merkte man, dass sie auch streng sein konnte, falls nötig. Charlie hatte sie recherchiert, sie war Mitglied im Fachverband der Psychologen und hatte fünfzehn Jahre Berufserfahrung. Das war Charlies erste Bedingung gewesen, als Challe forderte, sie müsse sich therapeutisch behandeln lassen. Sie würde nur zu jemandem mit professioneller Ausbildung gehen, nicht zu irgendeiner selbstgefälligen Person, die gerade mal einen mehrwöchigen Kurs zum Thema »Persönliche Entwicklung« absolviert hatte. Sie wollte auf keinen Fall Zeit bei jemandem verschwenden, der Allgemeinplätze daherplapperte oder zu viel über sich selbst sprach. Am liebsten würde sie sich das Ganze sowieso ersparen, weshalb sie die erste Sitzung so lange rausgeschoben hatte wie möglich. Sie hatte versucht, Challe zu zeigen, dass es ihr gut ging, dass sie sich hervorragend um sich selbst und ihren Job kümmern konnte, aber nach den Ereignissen des Sommers vertraute ihr Chef ihr nicht mehr uneingeschränkt.
Jetzt saß sie jedenfalls in dem unbequemen Stuhl in Evas Behandlungszimmer. Der Regen rann in dünnen Rinnsalen das Fenster herunter, hinter dem eine große Eiche mit buntem Herbstlaub stand. »Charline, warum sind Sie hier?«, fragte Eva. »Sie können mich Charlie nennen.« »Warum sind Sie hier, Charlie?« »Wegen meines Chefs. Er hat mir ein Ultimatum gestellt. Er findet, dass ich Hilfe brauche.« »Aha.« Eva musterte sie prüfend, als ob sie sich eine stille Notiz machte: eventuelle fehlende Selbsteinsicht. »Und finden Sie das auch?« »Dass ich Hilfe brauche?« »Ja.« »Ja, schon, aber ich säße vermutlich nicht hier, wenn das nicht die Bedingung dafür wäre, dass ich meinen Job behalten kann.« »Erzählen Sie bitte in groben Zügen von sich. Ich weiß, was Sie beruflich machen, aber sonst kaum etwas.« »Was müssen Sie denn noch wissen?«, entgegnete Charlie. Eva lächelte und sagte, dass ein Mensch schließlich mehr sei als nur seine Arbeit. Vielleicht könne sie einfach ganz allgemein sagen, wer sie sei. »Natürlich«, antwortete Charlie. »Ich mag…« Sie unterbrach sich. Was mochte sie eigentlich? Lesen, trinken, allein sein. Im Moment fiel ihr nichts ein, was nicht deprimierend klang. »Ich lese gern.«
Sie sah, dass Eva eine ausführlichere Antwort erwartete, und wollte fast schon »Sport« als weiteres Hobby angeben, aber warum sollte sie lügen? »Waren Sie schon einmal in psychologischer Behandlung?«, fragte Eva nach einer Weile. »Ja, ein paar Sitzungen als Erwachsene sowie eine längere Therapie als Jugendliche. Meine Mutter starb, als ich vierzehn war.« »Das ist ein schwieriges Alter, um einen Elternteil zu verlieren.« Charlie nickte. »Und Ihr Vater?« »Unbekannt.« »Ich verstehe. Wie war das Verhältnis zu Ihrer Mutter?« »Es war…« Charlie wusste nicht, was sie sagen sollte. Kompliziert? »Meine Mutter war sehr speziell.« »Inwiefern?« »Sie war nicht wie andere Mütter. Ich kämpfe sehr dagegen an, nicht wie sie zu werden.« »Das ist ganz natürlich«, antwortete Eva, »dass man nicht die Fehler der Eltern wiederholen will. Aber solange Sie versuchen, nicht so wie Ihre Mutter zu werden, bleibt sie Ihre Referenz. Erst wenn Sie unabhängiger von ihr agieren können, werden Sie sich freier fühlen.« »Ja.« »Wir können später noch darüber reden. Mich würde zuerst der Grund für das Ultimatum Ihres Chefs interessieren. Dass Sie eine Therapie machen sollen.« Bettys Stimme meldete sich in Charlies Kopf. Die Sätze, die sie immer sagte, wenn sie eine schlechte Phase hatte. Ich habe das Gefühl, als würden mich die Unterströmungen nach unten ziehen. Wenn ich zu viel nachdenke, dann sinke ich auf den Grund.
Am besten also nicht nachdenken, nichts sagen. Sonst wird alles nur noch schlimmer. »Der Alkohol war schuld«, antwortete Charlie. »Manchmal trinke ich zu viel. Bisher hatte ich es im Griff und habe nur getrunken, wenn ich freihatte, und auch nicht am Abend vor der Arbeit – oder dann zumindest nur wenig –, aber in letzter Zeit habe ich diese Regel öfter gebrochen und im Büro dann nach Alkohol gerochen. Mein Chef Challe ist eine wahre Spürnase.« »Vielleicht ist das Ihr Glück gewesen«, sagte Eva. »So konnten Sie sich rechtzeitig Hilfe suchen.« »Woher wollen Sie wissen, dass es rechtzeitig war?«, konnte sich Charlie nicht verkneifen. »Sie akzeptieren Ihr Problem und sprechen offen darüber. Das ist eine sehr gute Ausgangslage.« »Ich weiß es schon lange, konnte aber trotzdem nichts dagegen tun. Ich bin mir also nicht sicher, ob das so viel zu bedeuten hat.« »Haben Sie nicht gerade gesagt, dass Sie das Problem im Griff haben?« »Es kam schon vor, dass ich die Kontrolle verloren habe«, gestand Charlie. »Und jetzt sind Sie hier.« »Ja, jetzt bin ich hier.« Nach einigen Minuten oberflächlichen Gesprächs kehrte Stille ein. Charlie betrachtete die gerahmten Bilder hinter Eva an der Wand. Rorschachtests. Sie versuchte, Formen in den Farbklecksen zu erkennen, um etwas über ihren psychischen Zustand zu erfahren, doch Eva wollte mehr über ihre Arbeitsaufgaben wissen. Charlie erzählte von ihrer Arbeit als Ermittlerin bei der Nationalen Operativen Abteilung, dass sie und ihre Kollegen bei schweren Verbrechen im ganzen Land hinzugerufen wurden und die örtliche Polizei unterstützten.
»Wie sieht Ihr sonstiges Leben aus?«, fragte Eva. »Single, keine Kinder.« »Um noch mal auf Ihren Alkoholkonsum zurückzukommen«, fuhr Eva fort, ohne auf Charlies Familienstand einzugehen. »Wie lange würden Sie das schon als Problem bezeichnen?« »Ich weiß es nicht genau. Das kommt eher darauf an, wen man fragt.« »Ich frage Sie.« »Seit ich angefangen habe, Alkohol zu trinken, habe ich es geliebt, und ich habe schon immer mehr als andere getrunken. Ich habe noch nie verstanden, wie man nach nur einem Glas aufhören kann. Aber ich würde mich nicht als Alkoholikerin bezeichnen, nur weil ich mehr als andere trinke. Es ist eher phasenweise.« »Und wann begann die Phase, die unserer Sitzung heute vorausging?« »Ich kann mich nicht genau erinnern, aber vor ein paar Monaten kam ich zurück nach Gullspång, wo ich aufgewachsen bin. Eine Kleinstadt in Västergötland«, fügte sie hinzu, als sie merkte, dass Eva den Ort nicht kannte. »Ich habe dort bis zum Tod meiner Mutter gelebt. Dann bin ich nach Stockholm gezogen.« »Hatten Sie hier Verwandtschaft?« »Nein, ich kam zu einer Pflegefamilie.« »Wie war das für Sie?« Charlie wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Gab es irgendetwas Berichtenswertes über das Leben in dem kleinen Reihenhaus in Huddinge? Sie sah den Garten vor sich, den geharkten Kiesweg, die Blumenbeete, in denen alles in Reih und Glied wuchs, den kleinen Apfelbaum, der nie Früchte trug.
Sie dachte an die erste Begegnung mit den Pflegeeltern Bengt und Lena und ihrer Tochter Lisen, wie die drei sie steif in ihr klinisch sauberes Heim aufgenommen hatten. Von außen betrachtet war die neue Familie genau das, was sich Charlie immer gewünscht hatte, wenn Betty ausgeflippt war: ruhige, ordentliche Menschen mit festen Schlafenszeiten, gemeinsamen Mahlzeiten und einer Mutter, die Turnbeutel packte und Hausmannskost kochte, ohne zusammenzubrechen. Lena lag nie auf dem Sofa und verlangte völlige Dunkelheit und Ruhe. Sie veranstaltete nie ausufernde Feste oder lud Menschen ein, die sie gar nicht kannte. Charlie dachte an ihr kleines Zimmer im Reihenhaus, die frisch gewaschene Bettwäsche, den Duft nach Waschmittel und Rosen. Fühl dich wie zu Hause, hatte Lena an diesem ersten Abend gesagt. Ich hoffe wirklich, dass du dich hier wie daheim fühlst, Charline, und dass du und Lisen wie Schwestern füreinander sein könnt. Doch Charlie hatte sich nie daheim gefühlt in dem Haus in Huddinge, und sie und Lisen wurden nie wie Schwestern. Eva räusperte sich. »Es hat funktioniert in der Pflegefamilie«, antwortete Charlie schließlich. »Es herrschte Ordnung, und ich konnte mich auf die Schule konzentrieren.« »Das ist schön«, meinte Eva. »Aber gehen wir noch mal zurück zu dem Zeitpunkt, an dem die letzte Phase begann. Sie sind Anfang des Sommers nach Gullspång gefahren. Warum?« »Aus beruflichen Gründen. ............