Die Todesfee der Grindlay Street ***WERBUNG***
London 1889. Nach der Aufführung von »Macbeth« wird eine mit Blut geschriebene Botschaft aufgefunden: In Edinburgh, der nächsten Station der berühmten Theatertruppe, soll jemand grausam zu Tode kommen. Der Fall ruft die Inspectors Ian Frey und Adolphus McGray auf den Plan. Während der vernünftige Engländer Frey die düstere Ankündigung für reine Publicity hält, ist McGray von einem übernatürlichen Phänomen überzeugt, da Besucher eine »Todesfee« vor dem Theater gesehen haben wollen. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, denn was auch immer dahintersteckt – in der Premierennacht in der Grindlay Street soll der Tod die Hauptrolle spielen ...
Die Beiden Ermittler Frey und McGray sind schon ein unterschiedliches Duo,wärend Frey ein Gentelman ist und eben alles Vernünftig betrachtet ist McGray übernatürlichen Phänomene nicht abgeneigt.
Aber diese Mischung bringt sehr viel Lesespass in die Handlung den die Dialoge der beiden sind doch sehr lustig und interessant und so kommen sie dann auch der Lösung immer ein Stück näher.
Das Buch ist aus der Sicht von Frey in der Ich Form geschrieben
In dem Buch tauchen aber auch bekannte Namen auf den Bam Stoker wendet sich in diesem Fall an die Beiden Ermittler,die den Fall erst gar nicht so Ernst nehmen bis auf McGray.
Auch zwei weitere Personen haben wirklich gelebt und sind keine Erfindung Henry Irving als auch Alice Ellen Terry waren erfolgreiche Bühnendarsteller. Ellen Terry spielte sogar in zwei Filmen mit.
Auch muss ich sagen erfährt man etwas über Bram Stoker
*** Auszug auf dem Buch***
Tagebuch Bram Stoker, 1889 Fragment eingereicht von Inspector Ian P. Frey London, 30.Juni –
Im Lyceum Theatre herrscht nach wie vor Aufruhr. Niemand vermag genau zu sagen, was gestern Abend geschehen ist, und aus den düsteren Schilderungen kann ich kaum etwas schlussfolgern. Mrs Harwood ist immer noch am Boden zerstört, und Mr Irving wird mir nicht viel erzählen. Die Polizei traf rechtzeitig ein, lehnte es jedoch ab, genauere Ermittlungen einzuleiten. Die Officers beschieden uns, wir seien allesamt verrückt, und gingen dann wieder, ohne sich das geschändete Bühnenbild auch nur anzuschauen. Mr Irving musste knurren, fluchen und Drohungen ausstoßen, bis die Reinemachefrauen sich endlich bereit erklärten, den grausigen Schlamassel aufzuwischen. Ich muss unverzüglich Mr Harker kommen lassen, bevor wir nach Schottland aufbrechen. Dies kann ich keinem anderen anvertrauen. Er wird den gesamten unteren Teil der Schlosskulisse ausbessern und neu bemalen müssen. Die Leinwand ist nicht mehr zu retten. Sie ist blutgetränkt.
*****
Man taucht mit diesem Buch komplett in das Jahr 1889 ein und lernt die Theater Welt mal von einer anderen Art kennen.
Aber man lernt sie eben zu der Viktorianischen Zeit kennen,was noch viel interessanter ist.
Die Geschichte kommt aber trotzdem nicht zu kurz.
Auch gibt es Einblicke in die Familie von Ian Frey die zu der Aufführung kommen was Ian nicht ganz so gefällt.
Aber Elgie der jüngere Bruder ist nun mal ein Teil des Orchsesters und kann ein Aufeinander treffen nicht verhindern.
Ich muss sagen das Ende war nicht unbedingt hervorsehbar ich war bis zum Schluss von der Lösung weit entfernt.
Das liegt aber auch dadran das man oft auf die Falsche Fährte geführt wird.
Alles in allem ist es ein Unterhaltsamer Krimi mit allem was man braucht,es ist Spannung da es gibt Humorvolle Abschnitte der beiden Ermittler aber auch Einblicke in eine andere Zeit und in eine andere Welt.
Leseprobe
London, 29.Juni 1889
Es donnerte, die Menge zuckte zusammen. Die inmitten der Nebelschwaden nur schemenhaft zu erkennende Bühne wurde durch grelle Blitze erleuchtet. Plötzlich ragte aus dem dichten Nebel ein Speer heraus, auf dessen Spitze der abgetrennte Kopf von König Macbeth steckte. Die Damen schnappten nach Luft und bedeckten sich den Mund mit einem Spitzentaschentuch oder drückten sich ihren fedrigen Fächer an die Brust. Einige von ihnen waren berührt, die meisten jedoch angewidert vom Anblick des dunklen, dickflüssigen Bluts, das aus dem Hals des toten Königs tropfte. Schrille Stimmen vermischten sich mit den hohen Tönen von Streichern und Trompeten, als drei schemenhafte Gestalten emporstiegen und sich wie Aasfresser um den gespenstischen Scheiterhaufen scharten. Es waren keine Geier, sondern drei schwarze Raben, die mit den Flügeln schlugen und ein höhnisches Krächzen ausstießen, während sich ihr unheilvolles Schreien mit dem Chorgesang vermischte. »Heil dir, Macbeth! Heil! Heil dir!« Alles endete mit Schrecken, Tragödie und Tod. Alle Augen glitzerten feucht, alle Herzen waren schwer. Alle nahmen an, es gebe keine Erlösung, doch dann trat eine schlanke, scheue Gestalt aus dem dichten Nebel hervor.
Es schien, als zögen sich die Nebelschwaden zurück, und die Zuschauer erblickten das goldene Haar und die großen blauen Augen eines Jungen. Die Finsternis umschlang ihn, seine Gestalt wurde nur durch das Licht einer kleinen, dünnen Wachskerze beschienen, die er mitgebracht hatte. Dann aber zerschnitt ein einzelner greller Lichtstrahl den Nebel. Der Lichtstrahl wurde größer und breiter, reflektiert von der edelsteinbesetzten Krone, die der Junge in der anderen Hand trug. »Fleance«, murmelte ein Gentleman. Zukünftiger Vater von Königen. Keim von Gerechtigkeit, Frieden und Ruhm. Verheißung auf eine neuerliche Thronbesteigung. Der Junge schaute auf, und augenblicklich stimmte der Chor eine liebliche, engelsgleiche Melodie an, die verklang, während der Vorhang sich langsam senkte. Lange bevor der Samtstoff den Boden berührte, durchfluteten tosender Applaus und Jubel das Theater – so laut, dass Henry Irving zu spüren meinte, wie der Klang in seiner Brust vibrierte. Er umklammerte den Rahmen der Kulisse und spähte an der Landschaftsszene vorbei. Dass ihn die Leute womöglich sahen, war ihm bewusst, doch das scherte ihn jetzt nicht. Die ohrenbetäubenden Beifallsrufe hallten im Londoner Lyceum Theatre wider, und für diese Momente lebte er. Er ließ den Blick über das Publikum schweifen, in dessen Reihen die Leute nun begannen, mit den Füßen zu stampfen. Gleich würden sich die Hauptdarsteller zu ihm gesellen. Er würde Ellens weiche, wunderschöne Hand halten und sie hochheben, und … Sein Herz setzte für einen Schlag aus, und im gleichen Moment wich alle Freude aus ihm.
Aus einer der Sitzreihen, ein gutes Stück von ihm entfernt, fixierten ihn stechende Augen. Er wusste bereits, zu wem sie gehörten, noch bevor er die Gesichtszüge ausmachen konnte. »Florence!«, rief er, doch inmitten des ganzen Geschreis hörte niemand seine Stimme. Irving fragte sich, wie er sie bis eben hatte übersehen können: Die Haut der Frau war so blass, wie mit Chlor gebleicht, dass sie inmitten der Sitzreihen gespensterhaft leuchtete, und ihre Stirn durchfurchten so tiefe Falten, dass sie trotz der Entfernung zu erkennen waren. Außerdem wirkte die Frau sehr dünn, so als wäre sie vor Kurzem von einer kräftezehrenden Krankheit heimgesucht worden. Als Schauspieler glaubte er volle Kontrolle über seine Gesichtszüge zu haben – vor allem Atmung und Augen waren die Werkzeuge seiner Kunst. Doch in diesem Augenblick begriff er trotz dreier Jahrzehnte des Schauspielerns nur, dass er jedwede Kontrolle über seine Gesichtszüge verloren hatte. Als Florence seinen Gesichtsausdruck wahrnahm, hob sie herausfordernd das Kinn, und ihr gespenstisches Lächeln wurde noch breiter. »Was tust du hier?«, formte Irving wütend mit den Lippen, kurz bevor ihm der Vorhang die Sicht versperrte, doch der unheilvolle starre Blick der Frau brannte sich schier in seine Netzhaut ein. Und dann vernahmen alle den Schrei der Todesfee. * Ellen Terry wusch sich wieder und wieder die Hände. Es war seltsam, dass die Mischung aus Sirup und Cochenillerot, die sich mit etwas Wasser mühelos aus den Kleidern entfernen ließ, so hartnäckig unter den Nägeln und an den Nagelhäuten kleben blieb. »Ein wenig Wasser spült von uns die Tat«, rezitierte sie immer auf der Bühne, um sich danach den Rest des Abends mühsam die Hände zu waschen.
Miss Ivor, ihre sauertöpfisch dreinblickende Zweitbesetzung, stand mitten im Flur, hielt das Porzellanbecken in den Händen und sah zu, wie sich die große Miss Terry feinmachte. Die in die Jahre gekommene Schauspielerin hatte gute Gründe, aufgebracht zu sein: Ellen Terry hatte seit Dezember nicht eine einzige Aufführung versäumt, und da die Londoner Saison an diesem Abend endete, hatte die arme Miss Ivor keine Gelegenheit bekommen, ihre Lady Macbeth aufzuführen. »Schlacht verloren und gewonnen, höre ich«, sagte sie. »Sie sollten sich jetzt umkleiden, Miss Terry.« »Das sollte ich wohl«, erwiderte Ellen, trocknete sich die Unterarme ab und reichte Miss Ivor das Handtuch. »Danke, meine Liebe. Und nochmals: Es tut mir leid. Sie wissen ja, dass ich es hasse, Sie wie eine Zofe zu behandeln!« Miss Ivor tat kaum etwas, um ihren Unmut zu kaschieren, doch Ellen Terry hatte keinen Kopf, sich allzu viele Gedanken darüber zu machen: Sie trug nach wie vor das weiße Nachthemd aus ihrer Schlafwandlerszene, das absolut unangemessen dafür gewesen wäre, die Ovationen des Publikums entgegenzunehmen. Sie zog es vor, wieder ihr reguläres Bühnenkostüm anzuziehen, eben jenes majestätische grüne Kleid, mit Edelsteinen besetzt und mit echten Käferflügeln bestickt, das während des ganzen Jahres in London Gesprächsthema gewesen war. Die Tür zu ihrer Garderobe stand einen Spalt offen, doch Ellen dachte sich nichts dabei.
Es konnte eine der Näherinnen gewesen sein oder die kleine Susy, die gekommen war, um sich ein Buch auszuleihen, mit dem sie sich nach der Aufführung in den Schlaf lesen konnte. Vielleicht auch Bram, der ihr Blumen oder Geschenke von einem ihrer glühenden Verehrer gebracht hatte. »Fussie!«, rief sie, kaum dass sie Irvings geliebten Foxterrier schwanzwedelnd auf ihrem Schminktisch erblickt hatte. Der Hund hatte einmal ihr gehört, doch Irving hatte sich seine Zuneigung durch Menüs aus Lammkoteletts, Erdbeeren oder in Champagner getränkten Löffelbiskuits und darüber hinaus mit seinem wunderschönen Fellteppich erschlichen. »Was machst du hier?« Fussie hörte nicht. Er stand dem Spiegel zugewandt, hatte den Kopf halb in ein mit Einschlagpapier umwickeltes Bündel vergraben und schmatzte geräuschvoll. »Was ist das, mein Liebling?«, fragte Ellen. Der Hund war ein Vielfraß, schnupperte immer und überall nach Leckerlis, die er stibitzen konnte. »Deine Gier wird dir noch den Garaus bereiten, weißt du das?« Zu beschäftigt, um auch nur einen Blick auf das Bündel zu werfen, langte Ellen nach ihrem Kleid. Dann aber nahm sie einen sonderbaren Geruch wahr, fleischig und ekelerregend. Sie drehte sich um, und nun stieß der Feuereifer, mit dem der Hund etwas verschlang, sie mit einem Mal ab. »Oh, Fussie, was frisst du denn da?« Überall um den Hund herum lag zerknittertes Packpapier. Mit nun zitternden Fingern ergriff Ellen eine Ecke und zog die Verpackung zögerlich beiseite. Zunächst glaubte sie, es handele sich um einen Haufen Nacktschnecken, deren schleimige graue Häute von einer scheußlichen roten Flüssigkeit durchtränkt waren.
Dann blinzelte sie, und ihr war, als wiche alles Leben aus ihr, bis sie nur noch eisige Kälte in ihrer Brust spürte. Fussie hatte an blutgetränktem Hirn herumgekaut. Und genau in dem Moment, als Ellen Terry zu schreien anhob, war der Schrei der Todesfee zu vernehmen. * »Mein Gott, wer hat denn die ganzen Lichter gelöscht?«, fragte Bram Stoker mit Blick in den dunklen Flur. »Mr Wheatstone«, antwortete die Erste Hexe wie aus der Pistole geschossen. »Er hat dieses helle Pulver hereingebracht und meinte, ein kleiner Funken genüge, um uns alle ins Jenseits zu befördern«, ergänzte ihre Zauberschwester. »Er hat das Gas persönlich abgestellt.« Bram spähte in die undurchdringliche Finsternis. »Und hier habt ihr sie zum letzten Mal gesehen?« »In der Tat. Wir fragten sie, wohin sie ginge, aber sie hat nichts geantwortet. Sie hatte einen ihrer … Momente.« Bram spürte einen kalten Luftzug. Mr Wheatstone musste die Hintertür offen gelassen haben. Jeder hätte hereinkommen oder hinausgehen können. »Hier«, sagte die Dritte Hexe, die eine kleine Öllampe mitgebracht hatte.
Deren bernsteinfarbene Flamme warf scharfe Schatten auf die Gesichter der Hexen. Zum ersten Mal in der Geschichte wurden die Zauberschwestern von Frauen gespielt. Und diese Damen nun sahen auch so aus: Sie trugen nach wie vor ihre dunklen Lumpen, und ihre Gesichter waren dank der Masken, die sie immer noch aufgesetzt hatten, allesamt verzerrt. Während Bram die Lampe ergriff, war ihm, als wären sie Monster in einer Höhle. Sie waren genauso gespenstisch wie auf der Bühne. »Wir müssen jetzt los«, sagte die Erste Hexe, »um unsere Ovationen entgegenzunehmen.« Tatsächlich hatten sie seit der Premiere stets Beifallsstürme geerntet, die denen für Terry und Irving gefährlich nahe kamen. »Wollen Sie, dass wir mithelfen?«, fragte die Dritte Hexe. »Nein«, erwiderte Bram ein wenig zu scharf. »Nein, es ist schon recht. Geht nur und bedankt euch beim Publikum. Ihr habt euch euren Moment des Triumphs verdient.« Es bedurfte nicht viel, um sie zu überzeugen. Bram sah ihnen hinterher, wie sie wieder zurück ins Theater eilten, als ihn ein weiterer Luftzug frösteln ließ. Ganz langsam drehte er sich auf den Hacken um und schwang die Lampe wie eine Waffe, während er in die Dunkelheit trat. Dunkle Orte hatte er noch nie gemocht. Bram hatte die ersten sieben Jahre seines Lebens ans Bett gefesselt verbracht, eine Lampe oder Kerze stets in seiner Nähe, und Mutter im Zimmer nebenan. Bis heute konnte er, obwohl zu einem über eins achtzig großen, breitschultrigen Theaterintendanten herangewachsen, einen dunklen Raum nicht betreten, ohne zuvor tief Luft zu holen. »Mrs Harwood?«, rief er. Dabei spürte er das leise Beben seiner Stimme und war verwirrt über seine grundlose Besorgnis. Er umklammerte den kühlen Messinggriff seiner Lampe noch fester und zwang sich dazu weiterzugehen. Bram hielt auf die Hintertür des Gebäudes zu. Doch genau in dem Moment, als er das silberne Mondlicht erblickte, das sich auf dem Türrahmen abzeichnete, vernahm er ein abscheuliches Matschen, spürte, wie er auf etwas ausglitt, und sein Herzschlag beschleunigte sich. Als er zu Boden schaute, erblickte er dort etwas Dunkles.
Er hockte sich hin, um es näher in Augenschein zu nehmen, doch als er das intensive Rot von Blut ausmachen konnte, fegte erneut ein Windzug, dieses Mal stärker, direkt aus der Hintergasse, und löschte die Flamme im Glaszylinder seiner Lampe. Irgendwo weiter die Straße hinunter setzte ein Geheul ein. Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah Bram, dass sich eine dunkle Spur auf dem Boden abzeichnete: eine eklige Fährte, die von seinen Füßen bis zur Tür verlief und in einer Lache auf den Steinplatten der Straße endete. Dann tauchte eine schwarze Gestalt auf. Sie schleppte sich langsam vorwärts und schlich auf die Lache zu, so als wolle sie daraus trinken. Es war ein Hund, riesig, dunkel und stinkend – ein massiger schwarzer Wolfshund mit verfilztem Fell, blutunterlaufenen Augen und einer langen Schnauze, aus der Blut troff, an dem das Tier geräuschvoll schleckte. Die Lampe entglitt Brams Hand, ihr Zylinder zerbarst auf dem Boden, und Bram kippte vor Schreck hintenüber. Der Hund zuckte zusammen, und seine langen weißen Fangzähne schimmerten im Mondlicht. Und dann erklang der Schrei der Todesfee. * Es war ein schreckliches Geheul, das rasch lauter wurde, bis es zu einem durchdringenden, unerträglichen Gekreisch anschwoll, das in den Ohren schmerzte und einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Irving ließ den Kulissenrahmen los, hielt sich die Ohren zu und schloss schmerzverzerrt die Augen. Er nahm die plötzliche Totenstille im Zuschauerraum wahr und stellte sich die schockierten Gesichter der Theaterbesucher vor, entsetzt ob des infernalischen Schreis. Die verängstigten Aufschreie aus den Reihen des Ensembles wirkten wie Geflüster im Vergleich zu diesem entrückten Kreischen, das immer weiter anhielt, so als schöpfte jemand seine Luft aus einem Blasebalg. Es erstarb so abrupt, wie es begonnen hatte, doch Irving war einen Moment lang nicht in der Lage zu reagieren. Immer noch fassungslos tastete er sich durch die Kulissen.
Wer immer dieses Geräusch verursacht hatte, musste hinter anderen Bühnenbildern stehen. Es war, als husche man durch zum Trocknen aufgehängte Bettlaken, nur dass es sich hier um riesige Exemplare handelte, sechs Meter hoch und neun Meter breit. Der Lichtschein von der Bühnenbeleuchtung reichte nicht aus, um die ganze Tiefe dieser Leinwandflächen zu erleuchten, und die schmale Lücke vor Irving verschwamm in der Dunkelheit. Die letzte Leinwand war schwerer, da auf ihr eine Darstellung von Dunsinane Castle prangte, die in dicken Farbschichten gemalt war. Um an ihr vorbeizukommen, musste Irving sich bücken und darunter durchkriechen. Dabei stützte er sich mit der Hand auf dem Boden ab, musste jedoch feststellen, dass er diese dabei in etwas widerlich Zähflüssiges tauchte. Fast blieb ihm das Herz stehen, als im trüben Licht die Umrisse einer kauernden Frau sichtbar wurden. 22 »Mrs Harwood!«, rief er aus. Er traute seinen Augen nicht. Die sonst so sanftmütige Schneiderin kniete auf dem Boden, hatte die Hände nach vorne ausgestreckt und zerkratzte mit den Nägeln die Holzdielen. Als sie aufschaute, riss sie den Kopf so ruckartig hoch, dass Irving beinahe befürchtete, sie habe sich das Genick gebrochen. »Sie haben sie auch gehört!«, stammelte die Frau, am ganzen Körper zitternd. Auf ihrem Rock befanden sich überall dunkle Flecken. Irving führte die Hand zum Gesicht, doch bevor er sich den Mund bedeckte, bemerkte er, dass seine Finger ebenfalls besudelt waren, und zwar in der gleichen Farbe wie bei Mrs Harwood. »Sagen Sie mir, dass Sie sie gehört haben!«, beschwor sie ihn und streckte ihre roten Hände nach ihm aus. »Sagen Sie mir, dass Sie sie auch gehört haben!« »Wir haben es alle gehört!«, rief Irving. In diesem Moment glitt jemand zwischen den Leinwänden hervor und brachte eine große Petroleumlampe. Auf dem Boden schimmerte, umgeben von Kratzern auf den Holzbrettern, eine Blutspur. Rote Buchstaben, so bizzar wie die Worte, die sie formten:
Heil dir! Macbeth, bald findest du den Tod Heil dir!
Und Schottlands Bühne färbt sich rot