Die Heilkraft der Tiere
Deutschlands führende Experten auf dem Gebiet der tiergestützten Therapie helfen uns, die uralte Verbindung zwischen Mensch und Tier neu zu entdecken und für unser eigenes Leben zu nutzen.
Dr. Rainer Wohlfarth und Bettina Mutschler beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit den enormen Auswirkungen, die Tiere auf uns Menschen haben. In ihrer täglichen Arbeit geht es um die gesamte Bandbreite menschlichen Verhaltens – und wie uns Tiere dabei helfen können, uns selbst besser zu verstehen.
Wie unterstützen Tiere unsere Kinder beim Erwachsenwerden? Warum Tierbesitzer weniger gestresst sind? Wie schützen Tiere uns vor einem Herzinfarkt? Wie gelingt es Ziegen, einem apathischen Kind, das unter der Trennung seiner Eltern leidet, wieder zu mehr Fröhlichkeit zu verhelfen? Warum öffnen sich depressive Menschen, wenn ein quicklebendiger Hund neben ihnen auftaucht? Oder auch: Was kann ein Manager von Eseln lernen? Solche und viele weitere Fragen beantworten die beiden Autoren mit einer hervorragend lesbaren und unterhaltsamen Mischung aus wissenschaftlichen Fakten und konkreten Beispielen aus dem Praxisalltag. Ihr Buch geht dabei weit über eine einfache Wertschätzung der Mensch-Tier-Beziehung hinaus. Es lässt uns verstehen, wie enorm wichtig der Kontakt mit Tieren für unsere Gesundheit ist, und wie wir dieses Wissen für unser eigenes Leben verwenden können.
Über den Autor und weitere Mitwirkende
Dr. Rainer Wohlfarth, Jahrgang 1960, ist Psychologischer Psychotherapeut mit Schwerpunkt Verhaltenstherapie und Neuropsychologie. Nach mehreren Stationen im klinischen Bereich ist er akademischer Mitarbeiter der Pädagogischen Hochschule in Freiburg, arbeitet erfolgreich in eigener Praxis und leitet »Ani.Motion«, das Institut für tiergestützte Therapie in Sasbachwalden. Er befasst sich seit 2006 intensiv mit tiergestützten Interventionen, hat zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten zu diesem Thema publiziert und ist heute einer der führenden Vertreter auf diesem Feld. Außerdem ist er Präsident der »European Society of Animal-Assisted Therapy« (ESAAT) und Vizepräsident der »International Society of Animal-Assisted Therapy« (ISAAT).
Bettina Mutschler, geboren 1968, ist Spezialistin für tiergestützte Therapie. Als Coach setzt sie Hund und Esel in ihrer täglichen Arbeit mit ihren Klienten ein. Neben ihrer Tätigkeit als Referentin bei »Ani.Motion« leitet sie eine eigene Schule zur bindungsgeleiteten Hundeerziehung. Außerdem gibt sie deutschlandweit Seminare und bildet Therapiebegleithunde-Teams aus. Sie gilt als einer der innovativsten Köpfe zum Thema Bindung zwischen Menschen und Tier im deutschsprachigen Raum und ist Autorin von zahlreichen Fachbüchern und wissenschaftlichen Artikeln.
»Tiere ergänzen mit ihren speziellen Fähigkeiten die therapeutische Arbeit.
Sie helfen uns schneller einen Zugang zu den Klienten zu finden, denn sie sind oft Türöffner oder Eisbrecher.«
»Trotz aller tierethischen Bedenken sind Delfine als sanfte Helfer in aller Munde.
Dagegen wissen nur wenige Menschen, dass die »besseren Delfine« in ihrer nächsten Umgebung leben, oft bei ihnen Zuhause oder nur wenige Minuten zu Fuß oder mit dem Auto. Es sind unsere Haustiere Hund, Katze oder Pferd oder Bauernhoftiere wie Kuh, Esel, Schaf oder Ziege.«
Ich selber habe natürlich auch Tiere und könnte mir ein Leben ohne ein Tier gar nicht vorstellen.Wir haben einen Hund und 2 Wellensittiche und meine Tochter hat Zebrafinken.
Auch ich stelle fest das Tiere gut für Menschen sind, den man hat Verantwortung den Tieren gegenüber dem Hund muss man ja auch fressen geben und raus zum Geschäft machen all das kann ein Hund bzw Tier nicht selber so ist man eben gezwungen auch an schlechten Tagen diese Aufgabe zu erfüllen.
Auch kann man toll einfach mal seine Sorgen und Problemen den Tieren erzählen sie spüren das irgendwie wie es einem geht und ein Tier ist einfach da ohne zu fragen oder einem dann auch noch Vorwürfe zu machen.
Das Buch beschreibt eine tolle Wechselwirkung von Tier auf Menschen, wir alle kennen die Delfin Therapie aber nicht nur ein Delfin schafft es diese Wirkung zu erzielen, sondern auch eine Kuh oder auch eine Ziege.
Tiere helfen in so vielen Bereichen dem Menschen, sei es bei einer Bewegungstherapie oder bei einer Streicheltherapie oder auch dem Sozialen Verhalten entgegen zu kommen.
Das Buch beschreibt die unterschiedlichen Auswirkungen von Tier auf Menschen.
Leseprobe
Als wir begannen, dieses Buch zu schreiben, wurde uns eines ganz schnell klar. Etwas, das wir am besten gleich hier, am Beginn des Buchs, ansprechen: Wir beschäftigen uns schon seit vielen Jahren mit der Beziehung zwischen Menschen und Tieren. In unserer täglichen Arbeit, aber auch in vielen Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen, mit Klienten, Freunden und Bekannten greifen wir auf viele interessante Aspekte dieses Hintergrundwissens zurück, die für die meisten unserer Gesprächspartner nichts Neues mehr sind. Für dieses Buch aber können und wollen wir nicht einfach stillschweigend davon ausgehen, dass Ihnen dieses Hintergrundwissen bereits geläufig ist. Wir nehmen uns deshalb in diesem ersten Kapitel die Zeit und fassen Ihnen die wichtigsten Aspekte aus der langen Geschichte der Beziehung zwischen unseren menschlichen Vorfahren und verschiedenen Tieren zusammen, ohne die unsere späteren Einblicke in das Geheimnis der Heilkraft der Tiere nicht, oder besser: nur schwer verstanden werden können. Und auch für den Fall, dass Sie sich bereits mit dem Thema beschäftigt haben sollten: Überspringen Sie dieses Kapitel nicht einfach. Vielleicht entdecken Sie unterwegs ja noch ein paar Dinge, die Sie bislang noch nicht wussten.
Wie Tier und Mensch zueinander fanden Wir Menschen gehen seit Jahrtausenden enge Beziehungen zu ganz unterschiedlichen Tieren ein. Das ist zunächst einmal keine besonders neue Erkenntnis. Auch der Gedanke, ein Tier – nicht nur einen Hund – als getreuen Freund und Vertrauten an der Seite haben zu wollen, ist schon viele Tausend Jahre alt. Auf eine rätselhafte Art und Weise scheinen diese Verbindungen seit jeher einen besonderen Einfluss auf Menschen auszuüben. Begeben wir uns also gemeinsam zu den Anfängen dieser einmaligen Beziehung. Der Anfang dieser Beziehung liegt irgendwo in der Vor- und Frühgeschichte verborgen. Doch es ist sicher, dass unsere Begeisterung sowie die unauslöschlich damit verbundenen Empfindungen und Gefühle ein Schlüssel zu unserem Seelenleben und letztlich auch zu unserer Menschlichkeit sein können. Unsere Nähe zu Tieren beeinflusste unsere Evolution nämlich in einem Ausmaß, das wir heute erst zu verstehen beginnen. Die tiefe Beziehung zwischen Tieren und Menschen beruht darauf, dass wir – bei allen Unterschieden – ähnlich fühlen, ähnlich denken und uns auf ähnliche Weise ausdrücken.
Gemeinsame Wurzeln
Aber ganz von vorne: Alle Pflanzen, Tiere und auch wir Menschen stammen, wie die Molekularbiologie zeigt, von Einzellern ab. Diese Einzeller lebten vor rund 3,8 Milliarden Jahren.
Ihr Name: LUCA, eine Abkürzung für last universal common ancestor, die letzten gemeinsamen Vorfahren aller Lebewesen. Aus LUCA entwickelten sich wahrscheinlich alle heute existierenden Bakterien, Pilze, Pflanzen, Tiere und auch wir Menschen.1 Jeder heute lebende Mensch könnte seine Vorfahren bis zu diesen primitiven Urtierchen zurückverfolgen, zumindest theoretisch. Wir wissen das, weil vor gut 170 Jahren der Evolutionsbiologe Charles Darwin unseren Wissensschatz um den gemeinsamen Ursprung, die fließenden Übergänge und die Verzweigungen allen Lebens erweiterte. Doch anders als bei Bakterien, Pflanzen und Pilzen hat sich im Zweig der Tiere ein Nervensystem entwickelt, das zu komplexen Sinneswahrnehmungen, dem Empfinden von Lust und Schmerz und – ab einer bestimmten Entwicklungsstufe – auch zu Gefühlen wie Furcht, Freude, Trauer, Ekel und Ärger fähig ist. Diese Grundemotionen haben sich in der Wirbeltierevolution vor etwa 400 bis 600 Millionen Jahren herausgebildet. Diese gemeinsamen Grundgefühle sind für die tief in uns verwurzelte Faszination für alles Lebendige verantwortlich, was besonders an urzeitlichen Höhlenmalereien sichtbar wird. Die Chauvet-Höhle im Süden Frankreichs wird von Fachleuten »Sixtinische Kapelle der Vorzeit« genannt: Auf einer 500 Meter langen Höhlenwand finden sich über 400 Gemälde von Tieren – Wildpferde, Büffel, Rhinozerosse, Löwen, Mammuts –, porträtiert in vollendeter Maltechnik. Auch die Höhlenmalereien in Lascaux, einer weiteren großen Höhle in Frankreich, zeigen Pferde, Hirsche, Bisons, Katzen, ein Wollnashorn, einen Vogel eine springende Kuh. Und daneben ein liegendes Strichmännchen – die einzige Menschendarstellung in Lascaux – mit Vogelkopf und erigiertem Glied, vor ihm ein Bison mit heraushängenden Eingeweiden und daneben ein Vogel auf einer Art Stange.
Und auf einem außergewöhnlich realistischen Felsengemälde im spanischen Altamira zeigt der unbekannte, längst verstorbene Künstler sogar Mitgefühl für das Tier: Ein bewegendes kleines Gemälde stellt ein verletztes Wisent dar, am Boden zusammengebrochen. In diesen »primitiven« Bildern wurde meist nicht ein einzelnes Tier porträtiert. Die Mitlebewesen wurden, so der Stand der Forschung, symbolisch dargestellt, oft stellvertretend für die besonderen Kräfte der Natur. Bei den Steinzeitkünstlern dominierte, auffällig eindeutig, die Tierwelt. Unsere frühgeschichtlichen Vorfahren interessierten sich überraschend wenig für Zwischenmenschliches, wie Zeremonien, Triumphe oder Rituale. Selbst Pflanzen oder landschaftliche Darstellungen finden sich kaum, offensichtlich hatten die Urkünstler dafür kein Auge. Aber sie konnten – selbst nach heutigen Maßstäben – atemberaubend realistisch Tiere abbilden, lebendig, temperamentvoll, gefährlich und bunt. Diese Höhlenmalereien drücken unsere zutiefst urtümliche Naturverbundenheit aus. Die Erklärung hierfür ist nicht überraschend: Mensch und Tier waren eine Schicksalsgemeinschaft; und das lange, bevor sich unsere urzeitlichen Cousins zum heutigen Menschen entwickelten. Nur mit Hilfe der Tiere konnten die ersten Frühmenschen überleben, und manche Tiere lernten, als sogenannte Kulturfolger, die menschliche Nähe zu schätzen und für sich zu nutzen.
Tiere als Motor der menschlichen Kultur
Auf der Reise zu den Ursprüngen der Mensch-Tier-Beziehung stellt man fest, dass es vom Beginn der menschlichen Zivilisation bis heute nur ein kleiner Schritt in der menschlichen Evolutionsgeschichte ist. Die Strecke, die man von heute aus betrachtet zu den Anfängen der ersten Städte vor fünftausend Jahren zurücklegt, beträgt kaum mehr als ein Millionstel der Gesamtstrecke, die Mensch und Tier zusammen in Savanne, Steppe und Tundra gelebt haben. Das entspricht gerade einmal der aberwitzig kleinen Distanz von ein bis zwei Zentimetern auf einer Strecke eines ganzen Kilometers. Es ist ganz offensichtlich, dass eine enge Beziehung zu Tieren für unsere Vorfahren überlebensnotwendig war. Man kann sogar noch einen Schritt weitergehen und behaupten, dass der Homo sapiens ohne seine Tierkumpane wohl nie so weit gekommen wäre. Hätte es die Ahnen unserer Hunde, Katzen, Pferde, Schafe und Rinder nicht gegeben, hätte die Menschheit wohl gar keine Zivilisation oder gar höhere Intelligenz entwickeln können. Denn erst die Tiere in unserer Nähe haben uns zum Menschen gemacht. Die Tierwelt animierte unsere Vorfahren zu etwas, was die Evolution bis dato noch nicht in diesem Maße hervorgebracht hatte: die Entwicklung von Werkzeugen, Empathie, Sprache und Kultur. Was sich nach einer steilen These anhört, ist in der Wissenschaft unumstritten. Vor gut 2,6 Millionen Jahren lernten die Frühmenschen im heutigen Äthiopien, die ersten Steinwerkzeuge herzustellen und damit wilde Tiere zu jagen. Aber mehr noch: Der Mensch hat durch den engen Kontakt mit Tieren gelernt, die Gewohnheiten von Fleischfressern sowie Beutetieren genau zu beobachten und deren Verhalten vorherzusagen. Erst diese spezielle menschliche Fähigkeit, die Anfänge der Empathie, hat es unseren Vorfahren ermöglicht, ihren Nahrungskonkurrenten beim Jagen einen kleinen, aber entscheidenden Schritt voraus zu sein. Damit war ein wesentlicher Entwicklungssprung möglich………..